Tja das wird hier nun wohl etwas länger — quasi schonmal als Warnung vorab 🙂
Das waren nun wahrlich keine alltäglichen 2 Tage, ergo schreib ich mir das Erlebte von der Leber weg. So kann ich das auch in 10 Jahren nochmal nachlesen und mit meinen verblassenden Erinnerungen abgleichen.
ANREISE
Mittwoch Morgen ging es los. Thomas wurde die 80km aus dem Bergischen Land von seiner Vera nach Köln kutschiert (grosser Dank). Um 8:00 waren wir dann pünktlich an der Autovermietung um unser Gefährt in Empfang zu nehmen. Ist ja immer so eine Wundertüte was man letzendlich bekommt und bei uns war es ein VW Mulitvan, allerdings in der Minimalisten Innenausstattung (noch nichtmal eine weitere 12V Buchse war vorhanden). Schaltgetriebe war eh schon klar, obwohl Thomas nach der RATA 2012 einen Automatik zur BEDINGUNG gemacht hatte — aber wir sind nicht in USA und Automatik ist echt mega schwer aufzutreiben 😦 Thomas erkundigte sich dann auch direkt vor Ort, wie denn die Sitzbänke ausgebaut werden könnten und bekam als Antwort ‚die Bänke dürfen Sie nicht ausbauen !‘, worauf Thomas wie aus der Pistole, für mich äußerst überzeugend, erwiderte ‚dann lassen wir die selbstverständlich drin !‘ 🙂 Zu Hause angekommen, war dann auch meine Judith schon aufgestanden und Elmar, die Nummer 4 im Team, wollte um 10Uhr zu uns kommen. Bis dahin hatten wir die hinterste Bank ausgebaut und alles gepackt. Gegen 11 Uhr ging es gemütlich auf die 500km Richtung Süden mit dem Ziel Singen am Hohentwiel, wo wir gegen 16 Uhr eintrafen. Dort kurz eingecheckt, die mittlere Zweierbank ausgebaut :-), im Hotel gelagert und den Wagen etwas aufs Rennen getrimmt. Ich durfte mich dann etwas hinlegen. Elmar ist ne Runde gelaufen und Judith und Thomas haben die Lebensmittelvorräte satt aufgefüllt (Getränke, Bananen, Suppen, Schokoriegel ……) — übrigens gingen bei mir Bananen diesmal nicht so gut, so daß sich Judith letzte Woche an einer Tortour Bananenmarmelade versucht hat 🙂
Um 20:00 Uhr ging es um die Ecke in ein nettes Gasthaus und für mich gab es ein lecker Rumpsteak mit Fritten 🙂 und dann nochmal die letzte richtige Schlafgelegenheit nutzen !!
EINCHECKEN und PROLOG
Donnerstag war laut Zeitplan in Schaffhausen auch recht vollgepackt und sollte schnell vergehen. Um 10 Uhr mußte der Team Chef (meine Judith) zusammen mit Thomas die Startunterlagen abholen. Im Anschluss wurde der Wagen mit den notwendigen Aufklebern und auch die Räder und Helme mit Nummern versehen, inklusive letzer Check der Räder. Dann ging es mit dem Shuttle vom Parkplatz zur Wettkampfbesprechung in der IWC Arena. Insgesamt ca. 500 Athleten, darunter auch die kleine Zahl der Bekloppten 30 Solo Starter. Die Halle war also inklusive der vielen Betreuer richtig voll ! Es folgte eine professionelle, genau getimte WK Besprechung, die aber dennoch die gewisse Herzlichkeit nicht vermissen ließ.
Dann wieder mit dem Shuttle zurück zum Parkplatz Richtung Prolog. Umziehen und für den Prolog um 15 Uhr parat machen. Wetter ist perfekt, Sonne pur bei knapp 30 Grad vor der traumhaften Kulisse des Rheinfalls. Bei diesen Bedingungen wimmelte es natürlich nur so von Touristen, die sich wohl fragten was diese Radfahrer hier so treiben. Die Strecke ist nur ca. 1km lang geht aber bereits nach ca. 200m langsam aufwärts um nach einer S-Kurve in den ca. 300m langen 15% Schlussanstieg zu enden. Sinn des Prologs war es die Startreihenfolge fürs Rennen zu bestimmen. Der Sieger sollte als Erster starten und danch dann in 30 Sekunden Abständen. Ergo lagen zwischen Platz 1 und 30 satte 15min Zeitdifferenz am Start, was mir eigentlich ziemlich schnuppe war bei 1.040km. Ich wollte mich natürlich trotzdem achtlich schlagen und entschied mich nach kurzer Skepsis alles auf dem grossen Blatt hochzufahren. Thomas brachte mich zum Start, wo ich noch 10min Einfahrzeit bis zum Pre-check nutze. Dann ging es jeweils zu viert an die Startlinie, von wo aus man mit 5-10 Sekunden Abstand losgeschickt wurde. Erste Shake Hands mit Kontrahenten. Vor mir startete z.B Valerio Zamboni (Sieger des Race Around Ireland) und unmittelbar vor mir Beny Furrer aus der Schweiz, den ich bereits vom letzjährigen RATA kannte (mit einem Arm). Beides Athleten, die Älter sind aber enorm viel Erfahrung und Streckenkenntnis haben. Ich konnte beide Eingangs der Schlussrampe überholen und wuchtete mich allerdings die letzten 100m unökonomisch über die Linie. 3-4 Sekunden hätte das mit optimalem Gang schon flotter gehen können, so lande ich genau in der Mitte auf Platz 15 und habe die Startzeit 00:07:30 — der este KILOMETER ist geschafft 🙂
Was ist immer noch nicht begreife, war die Zeitgleichheit (auf die Hundertstel) mit Beny Furrer, obwohl ich einige Sekunden später startete und auch klar vor Ihm ankam — natürlich für das Event vollkommen unerheblich, einfach nur seltsam !
PRERACE
Danach schenkten wir uns erneute Shuttletransporte zur Pastaparty und fuhren sofort ins Hotel. Auf dem Weg noch volltanken ein paar Snacks einkaufen. Ich versuchte dann von 18:00 -22:00 Uhr zu schlafen, war aber natürlich nicht ausreichend müde, so dass es nur ein rumdösen war. Die Ergebnisse vom Embrunman mußten nebenbei auch noch gecheckt werden 🙂
Nach Auschecken und Fahrt nach Schaffhausen waren wir gegen 23 Uhr in der Nähe des Startareals (IWC Arena). Dort erfolgten die letzten Vorbeitungen – Rad mit Beleuchtung ausstatten, Helmlampe montieren, Sicherheitsweste und Reflektorbänder anlegen, Funkverkabelung checken. 23:45 trennten sich dann kurz unsere Wege. Ich fuhr an die Arena zum Check und reihte mich entsprechend meiner Startposition 15 ein. Das Begleitteam nahm einen anderen Weg um die Arena zur eigentlichen Startlinie. Für mich stieg so langsam die Spannung. Athlet für Athlet wurden wir auf die Bühne geholt um dann unter Jubel und Schweinwerferlicht, in 30 Sekunden Abständen, von der Rampe gelassenzu werden. Kurz nach der Ausfahrt der Arena kam dann die eigentliche Startlinie, wo wir erneut kurz hielten. Dort erfolgte dann die Zeitnahme und das jeweilig aufgereihte Begleitfahrzeug konnte direkt folgen —- wahrlich Top organisiert wie ein SCHWEIZER UHRWERK .
DAS RENNEN IST ERÖFFNET
Die Gesamtstrecke hatte ich vorab mal grob in drei grosse Abschnitte geclustert.
200km flach zum Einrollen, dann 440km mit 6 Pässen und 10.000HM (also quasi 2mal den Ötztaler), gefolgt von leicht welligen 400km 🙂
Die ersten 200km sollten mir natürlich am Besten liegen, als Kölner Flachlandtiroler. Ich wollte hier aber sehr konservativ starten, zumal wir über keinerlei Streckenkenntnis verfügten und es zudem ja auch eine Nachtfahrt war. Dieser sicherlich vernünftige Plan, wurde aber bereits Ausgangs von Schaffhausen vollkommen von mir vergessen und ich schlug eher ein sehr flottes Ironman-Tempo an. Erstmal in der Aeroposition Platz genommen, war ich im Rennmodus. Immer wieder tauchte auf den Geraden ein Fahrer mit Begleitfahrzeug auf. 5-6 hatte ich dann wohl auch nach einer Stunde überholt, bis ich dann selber auch wieder mal passiert wurde. Ich fühlte mich sehr gut und es fanden sich so 2-3 Athleten zwischen denen es immer mal wieder zu Positionswechseln kam. Viele kleine Baustellen mit Ampelanlagen und zwei Bahnüberquerungen mit Schranken führten zu einigen kurzen Extrastops. Ein nicht Beachten der Strassenverkehrsordnung des Fahrers bzw. des Begleitautos hatte Zeitstrafen zur Folge (15min, 30min, 45min und Disq). Speziell auf der ersten Hälfte des Rennens waren sehr viele Motorradmarshalls zugegen, welche auf die Einhaltung Verkehrsregeln und des strikten Windschattenverbotes achteten. Kurz vor der dritten Timestation (an der jeder Athlet unterschreiben muss) in Chur zeigte mein Tacho einen Schnitt von 37,4 an. Knappe Ironmandistanz, bei sicher guten Bedingungen und kaum Höhenmetern, aber in der Nacht und zahlreichen verkehrsbedingten Ausbremsungen. Das Tempo war mal deutlich schneller als geplant. Zu dem Zeitpunkt war der spätere Sieger zwar noch knapp vor mir aber ich hatte sogar da 2min gutgemacht. Fazit: ICH WAR ZU SCHNELL ANGEGANGEN 😦 —- kapitaler Fehler Nummer 1 war begangen !
DIE BERGE KOMMEN
Nach Chur war es dann bald vorbei mit der flachen Schweiz und es sollte in den ersten Anstieg gehen.
Lenzerheide hieß das Ding, was ich bislang nur als Austragungsort von alpinen Skiwettbewerben kannte. Hatte den wahrlich nicht als Problem auf dem Zettel und war dann ziemlich verwundert, wie schwer ich mich nach den ersten Steigungskilometern tat. Ich wusste nicht wieviel km der Anstieg hatte, wieviel HM und wie hoch das Ding überhaupt lag. Es kam noch leichter Gegenwind auf und ich fühlte mich deutlich zu warm angezogen. Mein Begleitteam war praktisch bis kurz vor der Passhöhe vorgefahren, wähnten sie mich doch in großer Form und in einem schönen netten Anstieg, den ich mit Spass locker hochfahren würde. Meine grossen Bedenken aus dem Vorfeld bezüglich meiner schlechten Bergperformance in 2013, hatte keiner im Team richtig ernst genommen. Oben angekommen war ich im ersten MEGA TIEF und das schon so früh am ersten und leichtesten Anstieg — oh Gott 😦 Ich hatte schon per Funk durchgegeben, daß es nicht gut rollt und ich mal anhalten müßte. So nahm ich oben im aufgebauten Campingstuhl Platz. Ich war durchnässt wie frisch geduscht und zudem rumorte es im Bauch und Darm. Das hieß ein Örtchen hinter einem Container suchen und dann noch komplett frische Sachen an. Währendessen fuhren Konkurrenten mit lockerem Gang an uns vorbei. Ich sah nicht gut aus und Elmar äusserte kurze Zeit später seine Einschätzung, daß ich wohl in Bälde aussteigen würde (gut er kennt mich nicht so, wie die beiden Anderen aber mein Aussehen und Körpersprache ließen scheinbar nicht viel Hoffnung aufkommen). Nach einer ersten Abfahrt und einem kürzeren Verfahrer ging es wieder langsam hoch. Durch den Verfahrer war plötzlich Beny Furrer, mein Schweizer Herzschmerztroubadour (siehe RATA Bericht — Anmerkung der Redaktion), wieder um mich rum. Der ‚ Junge‘ fährt einfach wahnsinning stark auch mit einem Arm aber dennoch zog mich das noch weiter runter und ich fühlte mich in meiner Krise am Berg erneut bestätigt ! Nun gingen die Wegweiser Richtung Bergün und ich wähnte diesen Talort auf der anderen Seite des Albula, dem nächsten Pass. Es ging schon seit einigen Kilometern bergauf und so dachte ich bereits Mitten im Albulaanstieg zu sein. Kurz vor der Timestation Bergün realisierte ich meinen Gedankenfehler und begriff, daß der Passanstieg erst danach beginnen sollte. Ich rief zu Judith „der Albula fängt ja jetzt erst an !“ — Judith: „Ja klar was hast Du denn gedacht ? Freu dich drauf, ist schöneres Wetter als bei der RATA !“ Deprimiert und angeschossen fuhr ich aus Bergün raus, um mich die 1.000 HM zum Albulapass hochzukämpfen.
Mit der Einstellung lief es natürlich auch am Albula entsprechend schlecht , es war zudem schon über 20 Grad und ich verlor wieder überproportional auf die Konkurrenz – das Tief war noch nicht durchschritten, vor allem mental. Kurz nach dem Talort La Punt bat ich um eine weitere Pause, weil erste Müdigkeit aufkam, ich wollte mal in Ruhe etwas essen. Weitere Konkurrenten und die ersten Teams fuhren vorbei — Frust ! Wir beschlossen für den Flüela das Zweitrad mit noch kleinerer Übersetzung einzusetzen. Die Pause war sinnvoll, denn es ging nun wieder besser. Nach der Timestation Zernez ging es dann bald in den Flüelapass, wieder 1.000HM bei nun sehr warmen Bedingungen. Der Flüela lief aber dann deutlich besser und ich konnte einige Solofahrer und auch Teams überholen — alles wurde wieder lockerer und die Laune stieg, oben am Pass Kaiserwetter und tolles Panorama. Die nächsten 70km Abfahrt + Ebenes Terrain über Davos nach Chur liefen ordentlich. Zum zweiten Mal in Chur, sollten wir dann die längste Pause des Rennens machen – denke so 60min ! Etwas im Schatten auf die Wiese legen, Nudeln und Kartoffelbrei essen, kurze Rückenmassage (dort vom Veranstalter angeboten) , zwei Toilettengänge, umziehen …! Nur die Augen blieben offen !
DIE LETZEN 3 PÄSSE
Die nächsten 3 Etappen sollten es dann in sich haben, 220km mit 5.700HM. Nach der Pause ging es gut gestärkt weiter. 10km flach und im Anschluss 10km mit 400HM am Ende recht steil. Abfahrt + eine wellige Passage um die letzten 20km zur Timestation in Disentis wieder stetig anzusteigen. Und hier mein nächster mentaler Fehler, hervorgerufen durch fehlende Streckenkenntnis. Ich wußte, es kommt der Oberalppass, der wie bereits Lenzerheide, für mich keinen bedeutenden Pass darstellte. Da es schon die ganze Zeit hoch ging, wähnte ich mich schon wieder Mitten im Anstieg zum Oberalp. Ich ging also davon aus, in Disentis den Oberalp im Sack zu haben. Kurz vor Disentis war ich mir dann aber über das erneute Wunschdenken bewußt 😦 — ich steckte sofort im ZWEITEN DICKEN TIEF. Fluchend erreichte ich die Timestation in Disentis, weil mir bereits wieder Fahrer entgegen kamen und ich dachte ‚warum müssen die auch diese beschi… Station nach da oben legen, um dann sofort wieder runter zu fahren ?‘ — diese Fahrer waren aber wohl Staffelfahrer die sich einrollten. Das ganze war natürlich nur ein Ausdruck meiner Angeschlagenheit 🙂 An der Station war ich dann ziemlich fertig und hätte am liebsten eine lange Pause gemacht, wusste aber auch gleichzeitig, daß das nicht ging. Hier gab es auch wieder eine Massagestation des Veranstalters und da dort wohl eine Brasilianierin Hand anlegte, geriet diese in leichte Verzückung ob meines Brasilien Trikots. Ich denke sie hätte mich besonders gut massiert aber ich saß bereits wieder mit Knopf im Ohr auf dem Bergrad und winkte ihr nur noch müde zu 🙂 Es dauerte nicht mehr lange, bis ich wieder Licht und Sicherheitskleidung anlegen musste. Noch drei Pässe warteten, darunter die beiden schwersten und mein eigener Wunschzeitplan war bereits in unerreichbare Ferne gerückt. Ich hatte mir nämlich mal erhofft nach 24h oben am letzten Pass (Grimsel) zu sein — hätte bedeutet Hälfte der KM und 70% der HM !
Der OberalpPASS entpuppte sich dann doch auch für mich, als ein solcher und lief nicht richtig flott und flüssig (22km mit knapp 1.000 HM). Im letzten Viertel wurde ich erneut von zwei 4er Teams überholt, obwohl die auch mal nicht schnell waren — wo war nur meine Bergpower ? Ich zweifelte ob ich jemals irgendwelche Kletterqualitäten besessen hatte ! Oben wurde dann Licht gemacht und die Lupine Betty am Lenker und die Piko am Helm sollten für die kommenden 10h für Helligkeit um mich sorgen. Lampenmässig war ich sicherlich TOP 3 — immerhin 🙂 . Die Abfahrt tat gut aber es galt einige Gallerien zu durchfahren in denen die Strasse etwas feucht war. Auch an einige Haarnadelkurven kann ich mich erinnern. Nach dem kleinen Ort Wassen ging es dann in den Sustenpass — 17,5km und 1.300 HM — Pause ?? Ich würde gerne aber ich WILL da erst noch hoch ! Es ist nun richtig dunkel und ich finde einen guten Rhythmus, es läuft besser als am Oberalp. erneut kommen Teams von hinten aber ich überhole auch mal wieder. An Passagen mit freiem Blick auf die nächsten Streckenabschnitte und Serpentinen sind die beleuchteten Konkurrenten nebst Begleitfahrzeug auszumachen — weit oben sehen sie aus wie kleine Fireflies — sonstiger Verkehr ist kaum noch vorhanden. Mein Team fährt oft unmittelbar hinter mir und überholt meist nur kurz um mal wieder ein Gel oder was zu trinken zu reichen — hier kommt erstmalig Cola zum Einsatz. Die letzten 5-6km ziehen sich dann doch ziemlich hin und alle Mitstreiter um einen herum tun sich genauso schwer. Dann endlich die um 23 Uhr erreichen wir Timestation 8 ( ERST 8 – von 17 !) die von Trix Zgraggen (RAAM Siegerin aus 2012) gesponsert wird. Ich kenne Trix vom Ultraman 2009 und muss ihr auf Nachfrage gestehen, daß ich ziemlich fertig bin — was sie mir natürlich auch aus 20m bereits angesehen hatte 🙂
Ein 5min Stop mit PP und dann ging es mit Windjacke und Knielingen weiter. 27km Abfahrt 1.600HM runter. Temperaturen gehen langsam Richtung 10 Grad und es fängt im Talort Innertkirchen leicht zu nieseln an. Unten nochmal längere Pause. esse ein paar Nudeln und darf die neue, ganz leichte Regen/Windjacke von Thomas testen. Thomas danke aber nächstes mal bitte in WEISS — aber in der Nacht und unter der Reflektorweste ist das eh egal 🙂 Zu Beginn der Pause werde ich von der Nummer 124 überholt, den ich in der vorigen Abfahrt einkassierte, als der wiederum am Rand ein Päuschen einlegte ! Nun also noch der GRIMSEL (welche ein Name, ich assoziiere GRUSEL) — 26km und knapp 1.600 HM — oben ist dann etwas mehr als die Hälfte geschafft (540km). Die Länge des Aufstieges habe ich beim losfahren nicht parat sehe aber sofort ein Schild mit der Angabe – Gletsch 32km. In der trügerischen Annahme (war ob der Müdigkeit schon für diese Rechenleistung dankbar) diese ganz simpel durch 2 zu teilen, hieß das 16km Aufstieg. Ach dachte ich noch, das packste jetzt auch noch, denn es lief recht flüssig und konstant. ‚Schon 14km geschafft, nur noch 2-3km, den hatte ich mir schwerer forgestellt‘ hörte ich mich noch sagen. Ich überholte gerade ein 2er Team und weitere Athleten rückten näher. Leichte Euphorie keimte auf. Dann steht Thomas da und reicht mir Cola mit den Worten ‚Echt stark nur noch 12km‘ ! Dann passierte das SCHLIMMSTE was ich mir als Betreuer, der sich seit über 24 Stunden den A… aufr…, vorstellen kann — der Athlet rastet aus und beschimpft seinen Edelhelfer. THOMAS ich möchte mich auch hier nochmal ganz aufrichtig und demütigst dafür entschuldigen :-(. Ich also blöcke konsterniert zurück ‚wie noch 12km ? das sind doch höchstens noch 2km, Du willst mich doch hier wohl verarschen !‘ Thomas: ’na ich glaube es ist schon noch deutlich länger aber ich schaue mal, ich gebe es dir gleich über Funk durch!‘ — 1min später über Funk ‚es sind nur noch 11,5km‘ :-). Die restlichen 11,5km gab es dann nur noch einen Kölner mit der Nummer 127, der laut schimpfend, wutschnaubend und kopfschüttelnd die Serpentinen hochgerackert ist. Wahrscheinlich, trotz der bereits 530km in den Beinen, die mit Abstand schnellste bergauf Passage. Der Einzelstarter mit der 124 und 3 weitere Teams wurden der Reihe nach Opfer dieses Wut Parforce Ritts 🙂 — die Serpentinen ab dem Grimselhospiz nahmen trotzdem kein Ende und jede Kurve wurde von mir ordentlich beschimpft. Oben angekommen war es mit 16 Grad wärmer als unten. Kurze Pause und in die lange bergab Passage. Die ersten 6km steil nach Gletsch (das waren die 32km :-), danach dann deutlich seichter bis eben. Nach einem kurzen Zwischenstop mit Jacke aus, wurde ich dann erstmalig richtig MÜDE. Bin in Folge nur noch sehr langsam gefahren, weil ich mich extrem konzentrieren und zusammenreissen musste, nicht einzuschlafen. Des öfteren nahm ich eine Hand vom Lenker um mich in den Oberschenkel oder anderswo zu kneifen. Das Team hinter mir dachte ich würde bewusst kontrolliert abfahren und Judith war darüber sehr froh, wusste aber nichts von der akuten Müdigkeit. Über Funk kamen aber dennoch häufiger Nachfragen, ob alles ok sei — und ich antwortete natürlich ja noch alles ok ! Kurz vor der Timestation in Brig haben wir uns dann etwas verfahren und den Weg nach 2 Anläufen nicht gefunden. Ich habe dann mit Judith am Straßenrand gewartet währenddessen die beiden Jungs den Weg gesucht haben. Nach einigen Minuten ging es dann weiter und letzendlich waren wir dann wieder on Track.
Flache Passage zum Genfer See
lch glaube in Brig hat mir mein Team erstmalig andeuten müssen, daß es langsam eng wir mit dem Zeitlimit an den Timestations. In Brig war ich wohl nur noch 45min vom Schließen der Station entfernt 🙂 Hier habe ich dann aber meine einzige halbe Koffein Tablette genommen. Die Fahrt nach Sion habe ich in nicht sonderlich guter Erinnerung — Schnellstrasse mit vielen Kreisverkehren, sehr monoton und dazu dann Morgendämmerung. Das ganze Paket ermüdetete mich weiter. Nach knapp 40km ging es dann in die Vororte von Sion und es wurde etwas besser, weil abwechslungsreicher. In Sion hatten wir immerhin schon wieder 1h Luft aufs Limit und es ging recht schnell weiter. Diesmal mit 50m Abstand hinter einem 2er Team, die auf dieser 57km Etappe (neben der Start und Schlussetappe) ausnahmsweise gemeinsam unterwegs waren und sich im Windschatten abwechseln konnten. Die ersten 20km blieb ich so in gleichmässigem Abstand hinter den Beiden. Das Tempo war ok aber vielleicht sogar einen Tick zu langsam für mich. Schön auf dem Aerolenker rollte es ganz gut, bis auf zwei Sekundenschlaf Sequenzen. Thomas hatte das im Wagen zwar bemerkt, aber angenommen ich wäre jeweils einer Scherbe oder Unebenheit ausgewichen — nein Saumüde war der Ultra :-(. Zum Glück fuhr das Duo dann zum Stop an sein Crewfahrzeug und ich musste selber wieder aktiv werden, was meine Sinne wieder schärfte und eine enorm starke Phase bei mir einläuten sollte. Ab diesem Zeizpunkt sollte es auf den verbleibenden 400km keine Müdigkeitsphase mehr geben — was ich im Nachhinein für sehr bemerkenswert und erstaunlich halte — solche Erfahrungen muss man eben für weitere Aufgaben selber machen. Ich überholte zwei weitere 2er Teams und erreichte Timestation 11 mit einem Polster von 1h30 ! Kurzer Stop, inklusive Besprechung des Höhenprofils der nächsten Etappe, die Thomas ab sofort immer mit mir vornimmt. Entsprechend werden die Radwechsel geplant — Bergrad für Passagen mit Rampen und für den Rest das Rad mit Triaufsatz. Es ist ca. 10 Uhr als wir den Genfer See erreichen — bei Kaiserwetter geht es durch Montreux und Judith spricht später von einer SÜNDE, hier so durchzuheizen, womit sie zweifelsfrei Recht hatte.
Überführung zur heimlichen Königsetappe
Es geht rechts ab steile 400hm in Vororte mit Traumpanorama auf den Genfer See mit dahinterliegenden Bergen — da es mir dort so gut geht lasse ich auch trotz Steigung öfter den Blick schweifen — genial ! Temperaturen steigen Richtung 30 Grad und ab sofort bekomme ich alle 5min Anweisungen per Funk, zu trinken und zu essen. Judith hat mich schon beim Ultraman in Defizitphasen erlebt und gibt nichts auf mein stures Gemeckere und Kopfgeschüttle, ständig kommt ‚Trink‘ — ‚Nimm ein Gel ‚ :-). Es geht bergab zur nächsten Station, wo ich nach der geleisteten Unterschrift sofort weiterfahre. Es geht sofort danach wieder hoch — 300 Hm — fahre mit einem 4er Team los — der Mann ist frisch hat aber am Anstieg keine Chance — es läuft komischerweise richtig gut, der Diesel rollt 😉 Die 60km Etappe geht zügig um und Timestation 13 wird schnell verlassen. Auf den nächsten 76 km bis Timestation Balsthal gibt es 3 kurze steile Rampen, mit sicher 15% und ich werde erstmalig wieder von einem 4er und einem 6er Team überholt. Bei Timestation 14 rechnet das Team mit einer kleinen Pause vor der letzten richtig harten Etappe aber ich signalisiere, dass ich sofort weiter will. Es geht sofort wieder hoch 10km mit 500HM. Anfangs nicht sonderlich steil aber mein Tacho sagt 33 Grad. Ich habe ein kleines energetisches Loch, es naht ein Hungerast. Muss nach 2km am Wagen anhalten und esse ein paar Nüsse und zwei Snickers, trinke in Ruhe und dann geht es weiter. Das Team räumt wohl noch etwas am Wagen rum und so fahre ich in der nächsten Ortschaft am Abzweig vorbei, einen weiteren Kilometer aufwärts. Dann bleibe ich allerdings stehen, bevor es plötzlich signifikant runter geht. Es sollte doch 10km hoch gehen. VERFAHREN ? Ich rufe per Funk das Team, bekomme aber erst nach 3 Versuchen Antwort. ‚Bleib dort stehen, wir sind gleich bei Dir‘ — das Team ist doch einfach göttlich :-). Wieder on Track geht es denn auch bald in auf sehr kleinen Sträßchen malerisch durch ein Waldstück — einziges Problem es wird nun richtig STEIL.
Die erste von einigen extrem steilen Anstiegen auf dieser, im Roadbook beschriebenen (UN)-HEIMLICHEN Königsetappe. 20 % nach 900km sind mal nicht geschenkt komme da aber dank meinem Rettungsritzel trotzdem recht gut im Sitzen hoch. Mittlerweile habe ich aber eine kurze Videosequenz von dieser Stelle vorliegen, wo Thomas entspannt neben mit herGEHT, man könnte wohl doch deutlich zügiger fahren 😉 Die Abfahrt über sicherlich 7-8km, ist die ersten 4km übelst Steil und somit doppelt so lang, wie von der anderen Seite und ich bin froh nicht dort hoch zu müssen. Allerdings ist der Asphalt schlecht, es ist sehr kurvig und ich hänge ständig in den Bremsen, was meinen Händen alles abverlangt. Die nächsten 20 km sind ein ständiges auf und ab mit vielen Rampen jenseits der 15% — und dann war da noch „DIE WAND“ mit ca. 300m deutlich über 20% — auch hier bleibe ich sitzen, habe aber sichtlich Probleme die Spur zu halten, weil das Vorderrad kurz vor dem Abheben ist. Judith tänzelt die letzten 100m anfeuernd neben mir her. Im Ziel werde ich später die Organisatoren fragen, wer sich so etwas einfallen lässt nach über 900km. Was ist denn das, wird sich auch die Ultracycling Legende Jure Robic, bei seiner Siegesfahrt 2009 gefragt haben, als er just an dieser Stelle abstieg und seinen Boliden das Monster hochgeschoben hat (wahrscheinlich mit 39-25 als kleinstem Gang 🙂 ) Thomas signalisiert mir danach, das war es mit Steigungen. So kam er dann auch prompt in den Genuß einer weiteren Schimpf-Wut-Fluch Attacke, als es dann nach gut 10km doch nochmal 200HM am Stück zu erklimmen galt 🙂
Die Letzten 100km
Um, 20:30 war dann endlich Timestation 15 erreicht und ich durfte wieder die Sicherheitsweste anlegen 😦 und die Lampen montieren. Elmar sagte dann ‚in knapp 4h biste spätestens drin !‘ Ich denke mir kurz, spinnt der und sage ‚wieso soll ich denn für die 45km länger als knapp 2h brauchen‘. Der Schock folgte auf dem Fuße, lieber Jochen, wir haben 40km mit 400HM und weitere 44km mit 500Hm vor uns 😦 — das hatte dann mal wieder gesessen. Die nächste Etappe ging dann noch halbwegs, obwohl ich praktisch nicht mehr schmerzfrei sitzen konnte. Ich sag nur eigene Schuld — dieses Jahr keinerlei Sitzprobleme auch nicht bei meinen 400ter Ausfahrten, also ZERO Sitzcreme oder dergleichen verwendet. Nun hatte ich die Quittung. Das eincremen nach 600km beim ersten Auftreten der Beschwerden war selbstverständlich zu spät. Auf dieser Etappe hatte ich zudem wiederholt deja vu’s. Ich war davon überzeugt hier schonmal langgefahren zu sein, nur wusste ich gleichzeitig auch, daß das nicht sein konnte 🙂
Nun sollten die letzten 44km kommen. Thomas per Funk ‚Du hast schon wieder 1km nur noch 43km, wir sagen dir jetzt jeden km an !‘ Ich nach einer gefühlten Ewigkeit ‚ich dachte ihr wolltet mir jeden km ansagen!‘ — Thomas:’sorry wir haben aber erst 800m !‘ — Ich: ‚das gibts doch nicht, wir haben doch locker schon 2km‘ 🙂 — dieses Szenario wiederholte sich noch einige Male. Das Ding zog sich mal wie KAUGUMMI und es ging gefühlt 10mal zum Rhein runter, um dann wieder durch Felder anzusteigen. Elmar: ‚Noch 25km‘ ich denke immer noch meine Strecke zur Arbeit ist das laang. Thomas: ’48h wird knapp‘. Und dann kamen Sie — die Motorradmarshalls. 5 Maschinen kamen uns entgegen, um zu wenden und mich in Ihre Mitte zu nehmen. Zwei Vorne, zwei an der Seite und einer neben dem Crewfahrzeug. Das war sie also, die Sondereskorte für den LETZTEN MOHIKANER — die Lebensgeister waren sofort wieder da. Eben noch mit 27kmh auf der Ebene rumgedümpelt, schnellte die Geschwindigkeit direkt mal um 10kmh in die Höhe. Sogar die Sitzprobleme verdrängte ich irgendwie. Das hatte ich mir doch immer schonmal gewünscht als Letzter mit Eskorte reinkommen — schon seit den ersten Teilnahmen in Roth oder Almere Anfang der 90er Jahre. Damals in Almere sagte ich zu Judith ’schau mal als Letzter ist doch richtig geil, mit den tanzenden Motorradfahrern vor den vollbesetzten Tribünen ins Ziel zu kommen‘. Ok, hier bei der Tortour kommt diese Ehre, auf der eigentlichen Schlussetappe (4km) nach der offiziellen Zeitnahme, jedem zuteil — bei mir aber schon auf der Etappe davor 🙂 — wir müssen nochmal an einer grossen Kreuzung anhalten und in einigen Autos um uns herum, gehen die Scheiben runter und es gibt einige THUMBS UP ! An kleinen Kreuzungen kommt man sich vor wie ein Staatsgast, drei blinkende Motorräder fahren vor und blocken den Verkehr, ich düse mit den beiden Anderen einfach drüber. Ich glaube die Marshalls haben auch einen Heidenspass mit mir. Thomas meldet sich ‚ es geht jetzt nochmal hoch‘ – und ich hole auf diesem km nochmal alles aus den Schenkeln, muß aber doch nochmal aufs Kleine schalten. Mein Team fragt sich hinten natürlich zu Recht, wieso das auf einmal doch wieder geht 🙂 Dann ist es geschafft der Zielbogen wird nach 48h02min durchfahren. Ab hier ist dann nur noch ‚Schaulaufen‘ angesagt — das Team konnte nach kurzer Pause schon in die IWC Arena fahren. Ich unterhielt mich noch mit meiner Eskorte. 10min später ging es dann auch für uns auf die letzten 4km. Mein persönlicher Motorrad Butler sagte mir dann, er wäre immer links neben mir ‚da käme nochmal ein 13% Stich über 300m, kurz vor der Arena und ich könne mich einhängen‘ ! Ich habe natürlich dankend abgelehnt und bin da auch nochmal im Wiegetritt hoch und bekam nochmal ein paar Daumen von meiner Eskorte 🙂 — nun ein letztes Mal vor der Arena stoppen und nach einer weitern Minute wurde ich dann empfangen — durch Nebel fuhr ich zu den Klängen von Faithless Insomnia ein, wie passend “ I can’t get no sleep“. Gut die Halle war leider nicht mehr richtig voll aber für mich reichten die sicherlich 50-100 ‚Fans‘. Auf der Bühne dann noch ein kurzes Interview und die Überreichung der Heldenplakette durch einen der Hauptorganisatoren. Ich habe es tatsächlich geschafft — 1.050km mit 15.000 HM in 48h ohne Schlaf — ich bin TORTOUR Finisher !!!!
Hotel und der Tag danach mit Finisher Brunch und Heimfahrt
Nach dem obligatorischen Finisher Foto mit Team bekomme ich vom meinem neuen Fan, dem Grillmeister der Würstchenbude noch eine extra grosse Bratwurst spendiert — war die lecker Mjam Mjam ! Dann geht es nicht mit dem Fahrrad, sondern ganz ungewöhnlich für mich, mit dem Auto zurück nach Singen. Habe ich den Organsiatoren noch eine viertel Stunde zuvor erklärt, daß ich doch überraschenderweise überhaupt nicht müde wäre und meine Beine noch locker wären, sieht das schlagartig anders aus, als ich im Wagen sitze. Lediglich die Schmerzen in den Oberschenkeln verhindern ein sofortiges Einschlafen 🙂 Eine böse Überraschung erwartete uns dann noch beim Einchecken im Hotel. Wegen einem Konzert (Amy Mc Donald) war das Hotel komplett ausgebucht, und die von uns gebuchten Nichtraucherzimmer waren mal schön vergeben worden. Erstmalig in meinem Leben mußten wir alternativlos in einem Raucherzimmer nächtigen. Nach kurzer Dusche fielen, trotz Geruchbelästigung, alle in einen wohlverdienten Schlaf. Um 8 Uhr ging es aber schon wieder weiter. Thomas und ich, na vielmehr Thomas und ganz wenig ich , räumten den Wagen aus und wieder ein, nachdem die deponierte Sitzbank wieder drin war. Dann konnte auch Judith geweckt werden und Elmar war derweil bereits beim Frühstück. Um 10 Uhr begann dann der Finisherbrunch in der IWC Arena Schaffhausen. Die Halle war gut gefüllt samt Athleten, Teams und Angehörigen. Mein persönliches Highlight natürlich, der Aufruf aller 13 Solo-Finisher auf die Tribüne unter Standing Ovations der gesamten Halle — das war schon Gänsehaut da oben 🙂 so konnte man auch allen Kollegen mal ordentlich die Hand schütteln und gratulieren.
Dann stand leider noch die üble Rückfahrt an. Judith hat die 500km locker abgerissen, mit Elmar als Sozius, an dessen Seite man eigentlich nie Gefahr läuft einzuschlafen – Elmar du alte Quasselstrippe 🙂 — Thomas und ich hingegen hielten hinten nicht lange aus und schnarchten um die Wette !
Dann Elmar absetzen, Wagen ausräumen, Bank rein und Wagen wegbringen — ich muss ja sicher nicht erwähnen, dass Thomas wieder den Löwenanteil der Jobs übernahm. Vera kam ihn dann abholen und ich denke es war so gegen 21 Uhr, sprich auch nochmal ein sehr langer Tag. Judith und ich mussten dann Montag bereits wieder arbeiten — aber die gesamte Woche war wegen Müdigkeit sehr zäh — am leichtesten viel mir die Zeit auf dem Rad zur Arbeit und zurück 🙂
D A N K an mein unglaubliches T E A M
Ich kann es gar nicht deutlich genug betonen. Die Tortour ist auch in der Solo Kategorie eine echte Teamleistung. Ohne Team ist das in der Form nicht möglich. Speziell bei uns, war es auch für das Team extrem hart und das nicht, weil ich da überanspruchsvoll wäre. Allein schon wegen der komplett fehlenden Streckenkenntnis war das enorm anstrengend. Die Meisten kamen ja aus der Schweiz und sind nach eigener Aussage fast Alles mehrfach abgefahren. Judith ist praktisch die komplette Strecke mit dem Laptop auf dem Schoss (inklusive Navigationssoftware) und dem Roadbook in der Hand auf dem Beifahrersitz gesessen. Wenn man als Zusatz noch weiß, wie schwer Judith sich generell mit Orientierung tut, gebührt Ihr alleine dafür schon eine Auszeichnung — keine Ahnung warum wir uns praktisch nicht verfahren haben 🙂 Speziell die vielen Passagen durch Ortschaften und kleine Städte, teilweise in der Nacht waren da sehr herausfordernd. Ansonsten übernahm das Team wohl spätestens ab der Hälfte des Rennens, praktisch mein Denken und ich brauchte nur noch pedalieren. Thomas plante welches Rad ich auf welchem Abschnitt einzusetzen war, welche Pausen ich wo zu machen hätte und was ich anziehen solle. Und dann diese ständigen Aufforderungen per Funk ‚Trink, iss !‘ am sehr heissen zweiten Tag. Elmar wurde wenigstens etwas Schlaf gegönnt (klar bei seiner Geschichte) aber Judith und Thomas waren nach 40h wohl auch mal am Scheideweg und es hat nicht viel gefehlt und wir hätten eine Pause einlegen müssen, weil das Team nicht mehr konnte ! Nach einigen Gesprächen, bin ich mir nicht sicher, ob ich vielleicht den leichteren Part hatte ! Ich bin den Dreien auf jeden Fall unglaublich dankbar und verspreche, daß es für 2014 keine Teamanfragen zu befürchten hat 🙂 Leider gibt es von vielen grossartigen und ereignissreichen Momenten keine Bilder, aber das Team war komplett anderweitig ausgelastet.
Einordnung des Rennens und Fazit
Es war mein bislang mit Abstand intensivstes Sportevent ! Auch drei Wochen danach verarbeite ich das Rennen noch und gehe immer mal wieder bestimmte Streckenabschnitte durch. Ich habe relativ wenig Musik beim Rennen gehört, allerdings werden mich bestimmte Stücke sofort wieder in bestimmte Rennabschnitte befördern. Köperlich war es auch anders als z.B nach einem 9h30 Ironman. Speziell durch das fehlende Laufen, hatte ich praktisch keinerlei muskuläre Probleme – klar die Intensität nahm gegen Ende auch immer mehr ab. Kardiomässig dem zur Folge auch alles im grünen Bereich. Bin Montag schon wieder mit dem Rad zur Arbeit und auch den Dienstag Spinning Kurs konnte ich wie gewohnt leiten. Gelenk Probleme gab es natürlich auch keine, was bei einem Ultralauf halt ganz anders aussieht. Probleme hatte ich dann allerdings an allen Körperteilen, die mit dem Rad in Berührung waren. Gesäß — wie schon beschrieben, hauptsächlich auf eigene Dummheit zurückzuführen — ging aber bereits am Dienstag schon wieder. Länger Probleme machten Hände und Füsse. Hier hatte ich zwei Wochen Taubheitsgefühle in Fingern und Zehen, die von Tag zu Tag abhahmen. Gegen alle drei Stellen kann man aber sicher vorbeugen, durch eincremen oder rechtzeitiges Massieren während der Pausen. Signifikant für alle vier, war aber sicherlich die Müdigkeit über die nächsten 4-7 Tage. Ich war erst wieder den Montag der folgenden Woche wieder richtig erholt. Oft haben Judith und ich eine Woche später an das Rennen gedacht. Freitag geht man zur Arbeit und da war ich in der Vorwoche bereits 8h im Rennen, dann ist Feierabend, man geht kurz vor Mitternacht ins Bett und da hatte ich noch einen Pass und 600 km vor mir. Samstag gleiches Spiel — Aufstehen, schönen Tag verbringen und abends denken ich war immer noch im Sattel und nicht im Ziel — ja ja, das waren schon zwei sehr spezielle Tage 🙂
Ich bin diesmal sehr zufrieden und auch ein wenig stolz das geschafft zu haben. Für mich ist das schon eine Aussage, weil ich eigentlich fast noch nie richtig zufrieden war (Vielleicht beim ersten Ultraman oder in Embrun). Keine Ahnung, wo bereits das ganze Jahr meine frühere Stärke am Berg geblieben ist. Hatte erstmalig regelrecht Angst vor den Pässen (den Motirolo vom letzjährigen RATA mal ausgeklammert). Dafür habe ich mich mental erneut sehr stark gezeigt. Die sehr frühen, massiven Tiefs an den ersten Bergen haben mich richtig Zeit gekostet aber nie die Moral verlieren lassen. Bin ich nun Letzter geworden oder 13ter ? Sicherlich beides irgendwie aber von den 30 Solostartern (die alle mehr Ultracycling Erfahrung hatten) sind halt die restlichen 17 ausgestiegen ! Einige hinter mir liegende, mußten auch noch im letzten Viertel das Rennen beenden, weil sie die Zeitlimits an den Timestations nicht mehr geschafft hatten — stelle ich mir brutal enttäuschend vor. So kommen wir dann auch zum Zeitlimit. 50h hört sich gar nicht so wenig an aber ich war doch näher dran als erhofft, und das sogar ohne Schlafpause. Ich hatte mir im Vorfeld so 44-45h ausgerechnet und die restlichen 5-6 h als Schlafpuffer gesehen. Da ich nun aber keine Schlafpause hatte liege ich da 3-4h hinter meiner Erwartung. Jetzt hat aber auch der Sieger Dani Wyss 4h länger benötigt als im Vorjahr (wo er mit 20min Rückstand zweiter wurde) und bereits Platz 2 der Slovene Mitja Rok (Sieger des Race Around Slovenia) benötigte schon deutlich über 40h. Ich denke es war einfach deutlich zu heiss für Rekordzeiten. Die 50h Zeitlimit lagen diesmal nur knapp 30 % über der Siegerzeit und ich 24% entfernt. Ich fand die 9h20 Differenz zum Sieger auch erst enorm, bis ich diese Berechnung anstellte. Die ALPEN-Europäer berherrschen seit Jahren die Ultracycling Szene, so kam der Sieger der vergangenen 10 Jahre, beim bedeutendsten Rennen dem Race Across America, ausschliesslich aus Slovenien, Österreich oder der Schweiz. Dani Wyss hat dort auch schon zweimal triumphiert und zählt für mich neben seinem Landsmann Reto Schoch und dem Österreicher Christoph Strasser zu den Top 3 der Szene. Setzt man die obigen 30% mal als Zeitlimit für einen Marathon oder Ironman, wäre dort schon Zielschluss bei 3h bzw. 10h30 !! Bei, vielleicht vergleichbaren Ultraläufen (UTMB oder Badwater), liegt das Limit bei über 100%. Soll nur verdeutlichen wie schnell das Damoklesschwert des Zeitlimits über einem passionierten Amateur wie mir schwebt. Nach Rücksprache mit dem Team müssten sich bei uns die Pausenzeiten auf ca. 3 aufsummiert haben, auch da ist noch Potential.
Das ganze nochmal ? Klares JA ! Aber 100% nicht in 2014 ! Die Tortour haben wir alle, als ein extrem geiles Event in Erinnerung. Hoch professionell und trotzdem mit der notwendigen Portion Herz. Wegen des ambitionierten Zeitlimits ist der Solo Teilnehmerkreis relativ beschränkt aber durch die Teams und die erstmalig ausgetragene Halbe Distanz (Challenge – Race Across Switzerland) waren ca. 600 Athleten am Start und ermöglichen eine atmosphärische Veranstaltung, wovon auch die wenigen Solostarter profitieren. Der Wettergott war natürlich auch ganz auf unsere Seite. Ich habe keine Kritikpunkte anzubringen — na vielleicht ein professionellen Bilderservice ala Sportograf aber das ist wohlmöglich speziell am zweiten Tag schwierig, weil alles sehr auseinaner liegt.
Nach nun 3 wöchiger Pause, werde ich am Wochenende bei den 24h Rad am Nürburgring in einem 4er Team (mit Thomas) starten. Das ist dann gleichzeitig der Trainingsstart für den ULTRAMAN HAWAII Ende November. Ein weiteres Extremevent in diesem Jahr, was ich aber bereits kenne und Judiths Kommentar dazu ‚ach das ist doch ein piece of cake‘ 🙂 — ich glaube aber sie meinte damit in erster Linie ihren Helferpart ohne jeglichen Schlafmangel 😉 — vor mir liegen aber 11 Wochen Training, mit Schwerpunkt auf Schwimmen (praktisch 4 Jahre ohne Training) und Laufen (hoffentlich lassen meine Knie das zu).
In 2014 steht eigentlich ein Jahr ohne Wettkämpfe an — aber eventuell entwickelt sich gerade ein 4er Team für die Tortour 2014. Da kenne ich ja nun die Strecke und 250km schaffe ich auch im Pausenjahr 😉
Hauptevent ist der John Muir Trail mit Judith — vom Yosemite National Park (hoffentlich brennt der gerade nicht komplett ab) bis zum Mount Whitmore. Ein Abenteuer ganz ohne Druck und Stoppuhr 🙂
Die Tortour SOLO würde mich dann eventuell ab 2015 nochmal reizen — mit noch besserer Vorbereitung 😉 Darüberhinaus war die Tortour schon ein Qualifier für das Race Across America (mit gleichem Regelwerk) und ich kann mir erstmalig, natürlich gaaaaanz entfernt, einen Solo Start dort vorstellen. Bekloppt genug wäre ich und die Birne habe ich wohl auch dafür. Ist nochmal 2 Dimensionen mehr aber man braucht ja Ziele und (Alb)Träume. Das wäre dann aber auch ein echtes Zukunftsprojekt, was frühestens 2016 starten könnte und einen oder mehrere richtige Sponsoren benötigte. Oder 2017, als selbstgemachtes Geburtstagsgeschenk, das RAAM als Solofahrer zum 50igsten 🙂
Auf der anderen Seite, ist nach der erfolgreichen Tortour schnell wieder vergessen, wieviele Energie das alles im Vorfeld gekostet hat und welche Zweifel und Konflikte vorhanden waren. Ich bin ja im Grunde eine total faule Sau, so daß das Spannungsfeld Partner, Job und Sport schon enorm gezehrt hat. Vor allem Judith hatte in den letzten Wochen sehr viel Verständnis aufbringen müssen und sie macht es mir grundsätzlich schon extrem leicht. Auch sind die ‚Urlaube‘ in solchen Jahren gleichzeitig eine Art Vorbereitung für das Event — hat man keine Berge vor der Tür, geht das dann eben nur im Urlaub oder besser Trainingslager 😦 und nochmal möchte ich dann schließlich nicht so am Berge rumömmeln !
Mit anderen Worten, vorstellbar ist Vieles ab 2015 -2016 aber aktuell geniesse ich erstmal die intensiven Erinnerungen des Geschafften. Es gibt auch viele Ziele ausserhalb von Wettkämpfen. Aussderdem, haben wir noch 5 Wochen auf unserer Insel vor der Nase — Flieger geht am 16 November — es gibt wahrlich kein Grund zu Klage 🙂
Bis bald auf diesem Blog
der ULTRA hat fertig !!